So verschieden jeder Einzelne mit dem Verlust eines nahe stehenden Menschen umgeht, er wird immer stark davon beeinflusst, was in seinem sozialen Umfeld als normal und angemessen gilt. Oft helfen diese Vorstellungen den Trauernden wenig, engen ein und können sogar schaden. Dies ganz besonders dann, wenn sie auf irrtümlichen Annahmen beruhen.
Nicht selten ist es die Fachwelt selbst, die solche Irrtümer gesellschaftsfähig macht. Dazu gehört zum Beispiel die lange ungeprüfte Annahme über verzögerte oder aufgeschobene Trauer. Landläufig herrscht die Meinung vor, dass Menschen, die nach einem bedeutsamen Verlust wenig Trauer zeigen, zwangsläufig später davon eingeholt werden. Diese Einschätzung geht zurück auf frühe psychoanalytische Konzepte, ist aber nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr haltbar. Viele Menschen – je nach Studie sogar die Hälfte – kehren nach einem Todesfall recht schnell in ihr seelisches Gleichgewicht zurück. Verzögerte Trauerreaktionen hingegen sind sehr selten.
Diese Erkenntnisse verdanken wir der Trauerforschung. Doch in Deutschland fristet diese bislang noch ein Nischendasein. Auf internationaler Ebene hingegen ist Trauerforschung mittlerweile zu einem klar bestimmten, interdisziplinären Arbeitsfeld herangewachsen, das wichtige Ergebnisse hervorbringt.
Das Projekt “Trauerforschung im Fokus” hat sich den Transfer dieser Erkenntnisse in den deutschen Sprachraum auf die Fahnen geschrieben. Die Betreiber der Internetseite www.trauerforschung.de geben regelmäßig einen Newsletter mit den aktuellen Publikationen aus der internationalen Trauerforschung heraus. Die Chefredakteurin des Newsletters, Heidi Müller, ist selbst in der Trauerbegleitung tätig. Sie erläutert die Motivation des Projektes: “Die ausgewählten Texte sollten die praktische Arbeit und den Erkenntnishorizont von Trauerbegleitern bereichern.” Bisher sei es für Trauerbegleiter sehr schwer, an wichtige Forschungstexte zu kommen und diese zu lesen.
Gefördert wird “Trauerforschung im Fokus” von Aeternitas e. V., der Verbraucherinitiative Bestattungskultur. Der Vorsitzende Hermann Weber will helfen, die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung in die Praxis umzusetzen – zum Nutzen jedes einzelnen Trauernden. Er sagt: “Mir liegt am Herzen, dass jeder Mensch seine Trauer nach seinen Bedürfnissen ausleben kann, unterstützt von seinem persönlichen Umfeld und gegebenenfalls auch fachlicher Hilfe, die auf den neuesten Erkenntnissen fußt.” Seine Motivation sei, dass neueste Arbeiten aus der Trauerforschung für jedermann frei zugänglich sein sollten. +++